Grundlage für die Entwicklung des BinLes war eine Erhebung an 133 Grundschulkindern als Paper/Pencil-Test. Die folgenden Aussagen zu den drei Hauptgütekriterien des Verfahrens beziehen sich auf diese Population.
Reliabilität
Die Reliabilität eines Verfahrens trifft Aussagen über die Messgenauigkeit. Eines der Axiome der klassischen Testtheorie ist, dass sich der Messwert immer aus dem wahren Wert, also der Ausprägung des Personenmerkmals, und dem Messfehler zusammensetzt. Aufgabe der Testtheorie ist daher auch, diesen Messfehler zu bestimmen, um die Zuverlässigkeit der Messung zu verbessern.
Bemerkenswert ist die ausgesprochen gute interne Konsistenz des Verfahrens. Auch die Retest-Reliabilität ist bis auf die Skala „Vernachlässigung“ zufriedenstellend. Die Inter-Rater-Reliabilität ist trotz der Konfundierung durch die Retest-Reliabilität und der Tatsache, dass die neuen Lehrkräfte die Kinder noch nicht lange kannten, mehrheitlich zufriedenstellend.
Validität
Die Zuverlässigkeit eines Verfahrens sagt nichts darüber aus, ob der Test wirklich das misst, was er messen soll. Ein Elfmeterschütze, der immer den rechten Pfosten trifft, ist hoch reliabel, aber kein guter Elfmeterschütze. Notwendig ist es deshalb, einen Test auf seine Fähigkeit hin zu überprüfen, ob das zu erfassende Konstrukt wirklich durch ihn erhoben wird. Dies geschieht in einem ersten Schritt durch eine inhaltliche Auseinandersetzung. Stehen die Items in einem engen Bezug zu dem zu erfassenden Merkmal? Ein Mathematiktest zur Überprüfung der schriftlichen Multiplikation im Zahlenraum bis 1000, der vorwiegend aus Malaufgaben besteht die zweistellige Faktoren aufweisen ist das, was wir erwarten würden. Man bezeichnet ihn deshalb als augenscheinvalide. Die Schwierigkeit der Beurteilung hält aber nicht unwesentlich von der Komplexität des Konstrukts ab. Ob beispielsweise die Aufgaben eines Intelligenztests wirklich Intelligenz messen, hängt maßgeblich von dem verwendeten Intelligenzmodell, also welches Verständnis der Test von Intelligenz hat, ab. Dieses muss nicht zwangsläufig mit der eigene Vorstellung von Intelligenz zusammenhängen.
Für den BinLe ist dies ähnlich. Es ist weit aufwendiger zu operationalisieren, was Bindungsverhalten bei Grundschulkindern im Setting Schule ist, als Aufgaben zu mathematischen Operationen zu formulieren.
Der BinLe ist als konstruktvalide zu bezeichnen. Die Skalen sind faktorenanalytisch generiert (explorativ, Hauptkomponentenanalyse, Varimax). Die Benennung der Skalen erfolgte auf Basis der zugehörigen Items.
Der BinLe unterscheidet zwischen „known groups“. Mädchen zeigen sch prosozialer als Jungen, weniger überfordert, weniger wütend und klammern mehr. Dies entspricht weitgehend bekannten empirischen Befunden.
In einer Untersuchung von Herde (2022) konnte zudem gezeigt werden, dass sich mittels des BinLe Unterschiede zwischen Schüler*innen einer Regelgrundschule und Schüler*innen mit Lernbeeinträchtigungen abbilden lassen, was angesichts dem Konglomerat an Risikofaktoren für unsichere Bindung und Prävalenzschätzungen in diesem Schwerpunkt (vgl. bspw. Günther, 2012) für den BinLe spricht.
Der BinLe steht in Zusammenhang mit der Bindungsorganisation der Probanden. In der Unterscheidung zwischen sicheren Kindern im Grundschulalter und unsicher-vermeidenden Kindern finden sich theoriekongruente, teils signifikante, Zusammenhänge. Die folgende Tabelle zeigt die Anordnung der Bindungsgruppen nach Rang.
Gut erkennbar ist dabei, dass sicher gebundene Kinder in der einzig positiv konnotierten Skala (Prosoziales Verhalten) die höchsten Skalenwerte aufweisen. Vermeidend gebundene Kinder zeigen die höchsten Werte im Bereich von Kummer sowie Wut/Aggression und zudem die geringsten Werte in der Skala „Klammern“. Diese wiederum wird angeführt von ambivalenten Kindern, die sich zudem durch die höchsten Werte im Bereich der Überforderung auszeichnen. Dies ist leicht nachvollziehbar, da ambivalent gebundene Kinder aufgrund ihres ausgeprägten Bedürfnisses nach Nähe schell überfordert wirken können.
Objektivität
In der Online-Durchführung des BinLe wird die Durchführung und Auswertung automatisiert durchgeführt, sodass Durchführung- und Auswertungsobjektivität als hoch einzuschätzen sind. Die Interpretation wird durch Standardwerte und Hinweise erleichtert, sodass auch die Interpretationsobjektivität zufriedenstellend einzuschätzen ist.